Montag, 17. Juni 2013



Breit' ich die Arme zu dir, 
so breitest du wieder die Arme;
Lächel' ich, lächelst du auch. 
Oft sah ich dir Tränen entrollen,
Wann ich Tränen vergoß; 
und dem Wink auch winkst du entgegen;
Auch, so viel die Bewegung des lieblichen Mundes 
mir anzeigt,
Redest du Worte, die nicht zu meinem Ohre gelangen.
Du bist ich! Nun merk' ich, 
und nicht mehr täuscht mich  mein Bildnis!
Liebe verzehrt mich zu mir; 
und die Glut, die ich gebe, die nehm' ich!


Was denn tun? 
Flehn, oder erfleht sein? Was denn erflehen?
Was ich begehr', ist bei mir; 
zum Darbenden macht mich der Reichtum.
O wie möcht' ich so gern vom eigenen Leibe mich sondern!
Was kein Liebender wünscht, 
ich wünsche mir fern das Geliebte!
Schon entnimmt mir die Kräfte der Schmerz; 
nur wenige Dauer
Steht dem Leben bevor; und kaum aufblühend, 
verwelk' ich.
Nicht ist schwer mir der Tod, 
da im Tod' ausruhen die Leiden.
Möchten dem Lieblinge dort 
nur mehrere Tage gegönnt sein!
Beide nunmehr einmütig verhauchen wir eine Seele.
(OVID Narcissus)



  

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